Rückkehr aus einer anderen Welt
Nach 2 Monaten in der Antarktis und auf den Falklandinseln bin ich zurück in der Eifel. Es geht allerdings schon direkt weiter nach Äthiopien.
Selbst für einen alten Hasen wie mich war die Antarktis überwältigend. Stellt euch vor, ihr klettert in einem Sturm einen vergletscherten Berg hinauf. Die Windgeschwindigkeiten schwanken zwischen 70 und 120 Stundenkilometern. Immer wieder peitschen euch Eiskörner ins Gesicht. Ohne den schweren Technikrucksack droht ein 80 Kg schwerer Mensch einfach weg zufliegen. Plötzlich hört ihr im brüllen des Sturmes seltsame Geräusche. Eine Mischung aus Kolkrabenruf, Wildgänsegeschnatter und Möwengeschrei. Trotz der eisigen Luft nimmt eure Nase eine Geruchsmischung aus Hühnerstall, Fischfabrik und Biogasanlage wahr. Ihr erreicht den felsigen Grat und schaut in ein riesiges Tal, etwa so groß wie das Stadtgebiet von Erfurt.
Eine halbe Million Königspinguine stehen auf einmal vor euch. Die Vögel balzen ihre Partner an. Andere brüten schon. Die Eier liegen warm und geschützt in einer Bauchfalte. Elternpaare füttern ihre fast einjährigen Jungen.
Tausende von braunen „Kaffeewärmern" mit schwarzen Füßen unten dran, stehen regungslos herum und warten auf die Rückkehr ihrer Eltern. Ihr bewegt euch in Superzeitlupe durch die Tiere, keiner reagiert auf euch, als tragt ihr eine Tarnkappe, ihr seid unsichtbar.
Am Strand liegen hunderte von Seeelefanten, wie riesige Bockwürste dicht gedrängt beieinander. Einige kämpfen vehement miteinander. Es ist Paarungszeit und massige Bullen prügeln sich um die Vorherrschaft im Harem. Zur gleichen Zeit gebären Weibchen ihre Kälber. Kaum sind die aus dem Geburtskanal, stürzen sich Scuas (Raubmöwen) und Riesensturmvögel, wie Kampfflugzeuge auf die Nachgeburten. Die Jungen schreien wie am Spieß, die Mütter antworten zwei Oktaven höher, die Raubmöwen beißen den Kleinen die Nabelschnur ab. Wer nicht aufpasst, bekommt ein Auge ausgehackt.
Urplötzlich reißt der Sturm die Wolken auseinander. Wie bei Rembrandt Gemälden werden einzelne Teile des Bildes angeleuchtet. Vor deinen Augen wirkt die Szenerie verschwommen und du fragst dich unwillkürlich „Ist es der aufgewirbelte Sand oder die tiefe Ergriffenheit, die du in diesem Moment verspürst". Aus der tosenden See tauchen immer mehr Tiere auf. Ganze Schwärme von Pinguinen schießen wie Torpedos aus dem Wasser. In den hohen Wellen surfen Delfine und Seeleoparden. Es sieht aus, als ob sie das zur Freude tun. Aber hier passiert nichts aus purer Freude. Sie warten auf unvorsichtige und geschwächte Pinguine, die mit dem Bauch voller Fische nach „Pinguin-City" zurück wollen. Tonnenschwere Seeelefanten, Seebären und Seelöwen erscheinen in der Gischt und robben schwerfällig an Land. Ihr Weg ist durch ein riesiges Walskelett versperrt.
Ihr schließt die Augen und glaubt, dass ihr nur träumt. Aber der Geruch und das Stimmenwirrwarr bleibt. Mit der Filmkamera versucht ihr die ganze Szenerie einzufangen, aber es gelingt euch nicht so recht, ihr seid viel zu überwältigt und die katabatischen Winde sind zu heftig.
Ja, genau so war es. Jules Verne hätte gesagt: „Das muss die Reise zum Mittelpunkt der Erde gewesen sein".
Nach meiner Rückkehr aus Äthiopien, im Januar, berichte ich ausführlicher vom Anfang und Ende der Welt.
Mit sportlichen Grüßen
Euer Andreas