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„Kieling Expeditionen zu den Letzten ihrer Art" Teil 4

„Kieling Expeditionen zu den Letzten ihrer Art" Teil 4

Dass Tierarten von der Erde verschwinden und neue entstehen, ist der Lauf der Evolution. Das Erschreckende ist nur, mit welcher Geschwindigkeit dies seit einiger Zeit geschieht und das hat nichts mit Evolution sondern vor allem mit dem Eingreifen des Menschen zu tun.

Einige Orte, die wir in den letzten 2 Jahren unserer Expeditionen aufgesucht haben und an denen vom Aussterben bedrohte Tierarten leben, werden in den nächsten Jahrzehnten zu Symbolen der Einzigartigkeit, wie es heute schon mit den Komodo Inseln oder dem Virunga Nationalpark der Fall ist. Gut, dass es diese Orte noch gibt und der Mensch alles daran setzt diese Plätze mit ihren Tieren zu erhalten, andererseits beschämend, dass es so wenige, nur punktuelle Stellen sind. Manche Tierarten existieren nur noch, weil sie sich in die entlegensten und schwerstzugänglichen Regionen der Erde zurückzogen und eine unglaubliche Menschenscheu entwickelt haben, weil einzelne Personen den Letzten einer Art auf Privatgebiet Schutz gewährten oder ihr ganzes Leben dem Schutz bedrohter Tiere widmeten.

Aber es gibt auch Positives zu vermelden. Durch intensive Schutzmaßnahmen, speziell in Europa und Nordamerika, haben sich einige Tiere, die kurz vor dem Aussterben standen, in ihren Beständen wieder erholt, wie zum Beispiel der Steppenbison oder ganz besonders in Deutschland der scheue Schwarzstorch. Trotzdem habe ich Angst, dass es einige Arten bald nicht mehr geben wird.

Jaguar Pantanal

Der Jaguar war der uneingeschränkte Herrscher der Sümpfe und Urwälder Mittel- und Südamerikas. Mittlerweile steht auch er als Toppredator im Konflikt mit Siedlern und Viehzüchtern. Andreas Kieling konnte während der Dreharbeiten, die Kraft und Stärke des Jaguars zweimal hautnah erleben. Im größten Feuchtgebiet der Erde, dem Pantanal, tötete ein Jaguar einen 3 m langen Kaiman, zog ihn aus dem Wasser und schleppte ihn fast 100 m über Land. Die Kampfspuren waren noch gut erkennbar und das Filmteam wurde durch den starken Aasgeruch auf das Drama aufmerksam.

10 Tage später wurde das Filmteam zur Hilfe gerufen. Ein großer Jaguar hatte einen Fischer in seinem Boot attackiert und schwer verletzt. Die Kameracrew hatte das schnellste Motorboot der Region angemietet. Da es im Pantanal so gut wie keine Straßen gibt, musste der schwer verletzte Mann auf dem Wasserweg 140 km zur nächsten Siedlung transportiert werden. Das auf der Barkasse zurückgebliebene Filmteam wurde in dieser Nacht von dem aggressiven Jaguar noch mehrere Stunden belauert und er ließ sich nicht vertreiben.

Flussdelfin Yangtse/China

Die letzte große internationale Suchaktion im unteren Yangtse River verlief ohne Erfolg. Daraufhin hat eine Kommission den Beiji 2006 zum ausgestorbenen Tier erklärt. Der chinesische Flussdelfin ist damit der erste Großsäuger, der im 3. Jahrtausend für immer von unserer Erde verschwunden ist. Andreas Kieling will sich vor Ort selber ein Bild machen. Tagelang ist er mit Fischern auf dem Fluss unterwegs – ohne Ergebnis. Den einzigen Beiji, den er findet ist ein präpariertes Tier im Naturkundemuseum in Shanghai. China als die große Fabrik für die ganze Welt lässt in seinen Ballungszentren nicht mehr viel Lebensraum für Fauna und Flora.

Weiter geht die Reise nach Myanmar, dem ehemaligen Burma. Hier zeigt sich dem Team eine ganz andere Situation. Zwar werden die natürlichen Ressourcen des Landes rücksichtslos ausgebeutet, aber Myanmar ist wirtschaftlich sehr rückständig, betreibt überwiegend eine fast mittelalterlich anmutende Landwirtschaft. In die Flüsse des Landes werden so gut wie keine industriellen oder landwirtschaftlichen Abwässer eingeleitet. Im Mittellauf des Irrawadis, der das Land von Norden nach Süden durchströmt, wird Andreas Kieling fündig. Er filmt eine kleine Gruppe Flussdelfine. Es ist eine eigene Art, die nur im Mekong und Irrawadi vorkommt. Das Verblüffendste für ihn ist, dass selbst die Fischer des Flusses, die in den Delfinen eigentlich Nahrungskonkurrenten sehen müssten, mit den Tieren im Einklang leben. Es scheint sogar als ob Mensch und Delfin ein freundschaftliches Verhältnis zueinander haben. In dem naturtrüben Wasser des Irrawadis schwimmt Andreas sogar mit den Delfinen. Aber an Unterwasseraufnahmen ist nicht zu denken. Die Sicht beträgt keine 20 cm.

Am Zusammenfluss von Amazonas und Rio Negro, Richtung kolumbianische Grenze, erfüllt sich für Andreas Kieling endlich ein lang ersehnter Wunsch. Einheimische haben Flussdelfine an sich gewöhnt und füttern die Tiere regelmäßig. Es sind Botos, rosa Amazonas Flussdelfine. Das Wasser des Rio Negros ist zwar dunkel aber durchsichtig. Andreas kann mit den Delfinen tauchen und sie unter Wasser filmen.

Steppenbison und Timberwölfe

Der Yellowstone Nationalpark im Grenzgebiet von Montana, Idaho und Wyoming ist der älteste Nationalpark der Erde. Er ist nicht nur Supervulkan und beherbergt mehr als die Hälfte aller aktiven Geysire der Erde, sondern er ist auch die Serengeti des Nordens. Große Tierherden an Steppenbisons, Wapitis, Pronghornantilopen, Maultierhirschen und Bighornschafen leben hier. Schwarz- und Grizzlybären, Wölfe, Pumas und Kojoten machen Jagd auf die Pflanzenfresser. Der Yellowstone ist im biologischen Gleichgewicht. Das war nicht immer so. Am Beispiel des Steppenbisons zeigt Andreas Kieling wozu der Mensch in der Lage ist. Von dem schwersten Landsäugetier Nordamerikas lebten einst geschätzte 40-50 Millionen Tiere in den großen Prärien. Nach dem Vernichtungsfeldzug der weißen Siedler blieben ganze 800 Tiere übrig. Der Yellowstone war das einzige Wildnisgebiet in den Kernstaaten der USA, wo diese Art überlebt hat. Heute gilt der Bestand an wilden Bisons wieder als gesichert.

In einer kalten Winternacht wird Andreas Kieling von seinem Camp aus Zeuge einer Wolfsjagd. Die Timberwölfe haben ein Wapitikalb erlegt. In kürzester Zeit ist von dem Tier nicht mehr viel übrig.

Wüstenelefanten

Namibia ist ein Land voller Gegensätze. Große Teile der Region bestehen aus Wüste und Halbwüste. Die kalten Meeresströmungen des Südatlantiks spenden oft den einzigen Niederschlag in Form von Tautropfen. In einigen Gebieten hat es seit über 10 Jahren nicht mehr geregnet. Trotzdem leben hier die größten Landsäuger unseres Planeten - Wüstenelefanten, eine Unterart des afrikanischen Savannenelefanten. Es sind nur 90-120 Tiere. Während Savannenelefanten jeden Tag Wasser brauchen, haben sich die Wüstenelefanten an die harschen Lebensbedingungen angepasst. Sie benötigen nur jeden dritten Tag eine Wasserstelle und ziehen in kleinen Gruppen. Die spärliche Vegetation bietet nur wenige Nahrungsressourcen. Elefanten sind, was ihr Futter angeht, nicht wählerisch. Um an Blätter, Früchte oder Zweige zu gelangen, rammen sie oft die Bäume einfach um. So ist der Savannenelefant in weiten Teilen Afrikas ein echter „Landschaftsgestalter". Ganz anders die Wüstenelfanten. Andreas Kieling konnte immer wieder beobachten, wie behutsam die Dickhäuter Blatt für Blatt von den Bäumen pflückten und nach einiger Zeit weiter zogen. Es hatte den Anschein, als ob sie spürten, dass sie sich ihre spärliche Lebensgrundlage nicht zerstören dürfen. Über mehrere Wochen konnte das Team den Tieren durch die Wüste folgen. Die Dickhäuter sind sehr selbstbewusst und angriffslustig. Bei den Dreharbeiten bekam Andreas Kieling das immer wieder zu spüren.